Skip to main content

Respekt und Freiheit

Unsere Freunde in den USA, vor allem die CIA, hören Deutschland ab. Sie bezahlen sogar einen deutschen Spion, damit er seine Landsleute für Amerika ausspioniert. Jetzt flog die ganze Sache auf. Abhören unter Freunden gehe gar nicht, meinte ja vor einiger Zeit unsere Bundesmutti, Angela Merkel. Wenn sie sich da mal nicht getäuscht hat. Eine Entschuldigung für den neuesten Abhörskandal hörte man aus der USA natürlich nicht. Stattdessen betonten Sprecher diverser politischer Stellen den Respekt, den man für Deutschland empfinde. Na ja. Vielleicht bezeugt man in der neuen Welt in der Tat seinen Respekt in solcher Weise: durch ausspionieren. Das machen die amerikanischen Dienste nur bei gefährlichen und respektablen Mächten. Bei untergeordneten Gegnern marschiert man ein. Insofern: Respekt – wir werden nicht besetzt, wir werden ausgekundschaftet.

Ein anderes Thema – nicht ganz so international – erregte die Gemüter der radfahrenden Nation. Entlarvend war der Anlass: Der Bundesgerichtshof hat die Pflicht zum Tragen von Fahrradhelmen verneint. Deshalb muss der Verursacher eines Unfalls in vollem Umfange Schadenersatz leisten. Das heißt eigentlich seine Versicherung, denn die hatte ja die Entschädigung eigenmächtig reduziert. Obwohl es kein entsprechendes Gesetz in Deutschland gibt. Soweit der juristische Teil.

Aber das Urteil hatte natürlich auch publizistische Folgen. Berichte und Kommentare wurden verfasst und dann auch Leser-Briefe, und die offenbaren Volkes Stimmung. "Freiheit, Freiheit über alles," plärrte ein Bayer im Spiegel, um die freie Entscheidung und Eigenverantwortung zu diskreditieren. Den Vogel schoss aber ein Herr aus Schleswig-Holstein ab: "Der freie Bürger muss manchmal zu seinem Glück gezwungen werden," schrieb er. Wie ein halbwegs gebildeter Mitteleuropäer die Worte "Zwang", "frei" und "Glück" in dieser Art in einem Satz zusammen zu bringen vermag, ohne dass ihm der Stift aus der Hand fällt, ist mir völlig unbegreiflich.

Menschen zu ihrem Glück zu zwingen, war der selbstgewählte Auftrag der Heiligen Inquisition. Um die unsterbliche Seele glücklich zu machen, wurde der Leib gefoltert und verbrannt. Oder etwas neuzeitlicher orientiert: dieser Satz könnte von so ziemlich jedem beliebigen Generalsekretär eines Zentralkomitees einer ebenfalls beliebigen Kommunistischen Partei gesprochen worden sein.

Haben die Leute aus der Geschichte eigentlich gar nichts gelernt? Denken sie nie nach? Diese bornierte kleingeistige Selbstgerechtigkeit zeichnet die wahren Totengräber einer freien, offenen Gesellschaft aus. Jeden Tag geben sie ein bisschen Freiheit preis. Und das Opfer war immer selber schuld. Mit Helm wäre das nicht passiert! Oder mit dem wahren Glauben oder der richtigen, weil proletarischen Gesinnung.

 

  • Erstellt am .