Skip to main content

Der Wert der (Aus-)Reisefreiheit

In der deutschen Verfassung gibt es kein Recht, das Land verlassen zu dürfen. Die grundgesetzlich garantierte Freizügigkeit gilt ausschließlich innerhalb der Landesgrenzen. Ein Ausreiseverbot, mit dem die Obrigkeit verhindern möchte, dass ein Bürger im Ausland Kritisches über Deutschland und seine Politik sagt, wäre also erlaubt. Und so was ist wohl auch schon geschehen.

In der Diskussion über Dschihadisten, die aus Deutschland in den Nahen Osten reisen, um dort für den IS zu kämpfen, wird immer wieder das Ausreiseverbot ins Gespräch gebracht. Mittels eines „Ersatz-Personalausweises“, der nicht zur Ausreise aus Deutschland berechtigt, möchten Politik und Behörden den Nachschub an fanatischen Kämpfern austrocknen. Aber die Ausgabe von solchen Ersatz-Ausweisen stellt eine extreme Diskriminierung dar, eine Form der Freiheitsberaubung auf Verdacht (oder auf Vorrat!).

Diese Diskriminierung stützt sich allein auf die (wie gut auch immer begründete) Vermutung von Behörden, der betreffende Bürger könnte eventuell etwas Böses tun wollen. Hier schlägt also wieder die staatliche Gesinnungsaufsicht zu! Ausreisefreiheit – so formulierte es Michael Kloepfer in der FAZ – hat in Deutschland etwas von „Staatlicher Gunsterweisung“. Das passt zum allgemeinen Klima der Ängstlichkeit hierzulande, die durch eine breite Anwendung von Risikominimierung und Vorsorgeprinzip oder die Abwehr von abstrakten Gefährdungen niedergerungen werden soll. Allenthalben wabern flüchtige Verdächtigungen durch die deutsche Gesellschaft und den deutschen Staat. Verbrecherische Taten sollen nicht nur bestraft werden, nachdem sie begangen wurden. Vielmehr sollen auch Worte und Gedanken bereits zu staatlichen Sanktionen Anlass bieten! Eine neue Form von Verdächtigungskultur beginnt, eine breite Schneise gesellschaftlicher Verwüstung durchs Land zu pflügen.

  • Erstellt am .