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Menschen sind ungeduldig und ungerecht

Wer ein Problem hat, will die Lösung jetzt und sofort! Häufig wird den Leuten dann vorgeworfen, dass sie zu kurzfristig dächten und ihre langfristigen Interessen vergäßen. Aber das stimmt natürlich in dieser einfachen Logik nicht. Manchmal habe ich keine langfristigen Interessen mehr, wenn ich die unmittelbar drängenden Probleme nicht lösen kann: Wer heute verhungert, hat morgen gar keine Interessen mehr. Bei unseren Vorfahren war das zumeist ein sehr sinnvolles und überlebenswichtiges Verhaltensmuster.

Schwerer wiegt mitunter die Ungeduld in der modernen Zeit: Es ist den Bürgern nur schwer zu vermitteln, dass es keinen Kindergartenplatz für ihre Sprösslinge gibt, weil anderswo ein Altenheim gebaut werden soll. Es ist kaum einzusehen, dass ich die Hälfte (oder auch mehr) meines Einkommens für Steuern und Abgaben an den Staat, der ständig behauptet, für alles zuständig zu sein und zu wissen, was ich brauche, zahle – und dann ist genau das, was ich jetzt und hier am drängendsten benötige oder zu benötigen meine, nicht verfügbar! Es nützt mir (kurzfristig) nichts, wenn das wichtige Altersheim auf Rügen mit öffentlichen Zuschüssen gebaut werden kann, aber ich für mein Kind einen KiTa-Platz in Frankfurt suche und nicht finde. Menschen und Kleingruppen fällen in solchen Situationen stets „kurzfristige“ Entscheidungen und nutzen ihre Ressourcen für das unmittelbar Drängende. Und bereuen womöglich 20 Jahre später, nicht anders gehandelt zu haben.

Es ist die große Errungenschaft der modernen, zivilisierten Gesellschaft und ihrer staatlichen Institutionen, dass solche Entscheidungsprozesse für die Ressourcenallokation, die sehr viele Menschen in ähnlicher Weise immer wieder betreffen, objektiviert und sozialisiert wurden. Die Gesellschaft hat prophylaktisch schon mal vorab entschieden. Und hat zugleich versprochen, den Einzelnen zu entlasten, indem Dinge „verstetigt“ werden. Ich zahle immer den gleichen Zehnten, unabhängig davon welche öffentlichen Leistungen ich in Anspruch nehmen möchte oder muss.

Allerdings muss der Staat dann auch liefern, wenn Bedarf besteht! Nichts ist unangenehmer als ein Bürger / Wähler, der stets zu kurz zu kommen glaubt, weil immer andere Menschen und ihre Anliegen bevorzugt würden. Um das zu vermeiden, sollten die Politiker und die staatlichen Institutionen weniger Neues versprechen, dafür das einhalten, was schon immer zu Übereinkunft des Gemeinwesens gehörte. Und vielleicht kann man hin und wieder den Bürger auch mal sich selbst überlassen.

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