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Fleißig, fleißig

Liebe Freunde und Bekannte,

ein bisschen faul sein, das möchten wir doch alle. Ohne schlechtes Gewissen ein wenig gammeln und von den anderen für die Chuzpe beneidet werden, damit durchzukommen. Wie langweilig ist es dagegen, immer seine Pflicht zu tun. Manche Menschen sehen das aber ganz anders und sind fleißig, fleißig …

Eine Krähe hackt der anderen … usw. – wir kennen das Sprichwort alle. Und wenn eine Krähe mal nicht so will, dann kann man sie ja dazu zwingen. Per Gerichtsbeschluss, am besten durch den Bundesgerichtshof, dann kann bestimmt keine Krähe mehr ausbüchsen, wenn es ums Zusammenhalten geht. Verordnete Krähen-Solidarität, sozusagen.

Folgendes war geschehen: Ein Strafverteidiger hatte in einem Brief an seinen Mandanten den zuständigen Richter als „unfähig und faul“ bezeichnet. Dieses Schreiben wurde beschlagnahmt. Der Richter fand die Einschätzung seiner Leistungsfähigkeit nicht akzeptabel. Statt nun aber durch fleißiges Arbeiten das Gegenteil zu beweisen, ließ er den Brief mit diesen „Verbalinjurien“ in einer Gerichtsverhandlung verlesen, und der Anwalt wurde zu einer Geldstrafe verdonnert. Das mochte nun der Anwalt seinerseits nicht akzeptieren, und schon gar nicht, dass seine Briefe an den Mandanten konfisziert und zensiert wurden. Letztlich landete der Fall beim BGH, dessen Richter für ihren Kollegen entschieden. In der Begründung hieß es, „die Beleidigung nicht anwesender Dritter“ sei nur dann straffrei, wenn die „Äußerungen innerhalb der Familie fallen“. Also zu seiner Frau hätte der Anwalt schon sagen dürfen, dass der Richter … usw. Ob die das interessiert?

Richter können also per Gerichtsbeschluss nicht mehr „unfähig und faul“ sein. Wenn es doch bei allen Berufsgruppen so einfach wäre, die Taugenichtse in fleißige Arbeiter zu verwandeln. Aber bei anderen Menschen wirkt dieser juristische Zauberspruch nicht: Die haben nach wie vor ein Recht auf Faulheit und Unfähigkeit. Und alle Werktätigen dürfen sich untereinander – und ihre Vorgesetzten sowieso – als unfähig und faul denunzieren. Selbst den Bundespräsidenten (der ja kein Richter ist, noch nicht einmal Jurist) darf man also immer noch als „unfähig und faul“ verunglimpfen.

Unfähig und faul - ein Charakterurteil, mit dem Generationen von Schülern und anderen Lernenden übrigens prima leben konnten. Wahrscheinlich auch viele Jura-Studenten, die heute womöglich als Richter tätig sind. Nun könnten doch Studenten der Rechtswissenschaft auf die Idee verfallen, dass sie allesamt potentielle Richter sind und deshalb bis zum Beweis des Gegenteils (bis sie als Feld-Wald-und-Wiesen-Anwalt arbeiten) auch so behandelt werden müssen (in dubio pro reo). Demnach dürften die Professoren an der Universität auch ihre Jura-Studenten nicht mehr als faul und unfähig bewerten, denn der so diskreditierte Student könnte ja Richter werden, der per Gerichtsbeschluss stets fleißig und fähig ist.

Das wäre doch mal eine Exzellenz-Initiative an deutschen Hochschulen!

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen / Euch
Michael Bross aus Sindlingen

 

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