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Warum nicht früher?

Jetzt sind sie weg, die Herrscher in Tunesien und Ägypten. Verjagt von jenen Bürgern, die als Untertanen misshandelt wurden. „Das ist eine sehr schöne Erfahrung,“ sagte unsere Bundesmutti Angela mit Blick auf Tunis und Kairo. Woran dachte sie dabei? Vielleicht ist es besser, wenn das ihr Geheimnis bleibt. Auf eine andere Frage hätte ich aber schon gerne mal ein Antwort: Warum nicht früher?

Jetzt sind sie weg, die Herrscher in Tunesien und Ägypten. Verjagt von jenen Bürgern, die als Untertanen misshandelt wurden. „Das ist eine sehr schöne Erfahrung,“ sagte unsere Bundesmutti Angela mit Blick auf Tunis und Kairo. Woran dachte sie dabei? Vielleicht ist es besser, wenn das ihr Geheimnis bleibt. Auf eine andere Frage hätte ich aber schon gerne mal ein Antwort: Warum nicht früher?

Von Marokko im Westen bis an die Hänge des Libanon im Osten zieht sich ein breiter Streifen Landes, geprägt von Unruhen und Umbrüchen. Stets am Rande von Aufständen und Bürgerkriegen brodelnde Gesellschaften können von den herrschenden Diktaturen nur durch Repression ruhig gestellt werden. Manchmal geht es dann halt auch schief – aus Sicht der herrschenden Cliquen zumindest, die sich Jahrzehnte lang ein feistes und parasitäres Wohlleben in Braus und Korruption gönnten. Einige dieser Herrschaften dauern schon so lange, dass sich viele Deutsche gar nicht daran erinnern können, dass es vor Mubarak oder Gaddafi auch noch andere Präsidenten, Revolutionsführer oder was auch immer gegeben haben könnte. Was fiel einem hierzulande zum ägyptischen Dauerpräsidenten eigentlich noch ein außer jenem sehr schalen Witz (Was heißt Mubarak auf deutsch?)?

Warum hat sich Europa nicht viel früher um die Südküste des Mittelmeers gekümmert? Nordafrika gehörte als Kornkammer des Römischen Reiches schon zur Sphäre der Zivilisation, als viele der heutigen europäischen Kernländer noch von wilden Barbaren in Fellkostümen bevölkert wurden. Und wenn solche altphilologischen Reminiszenzen für eine moderne Politik nicht ausreichend Fundament zu bieten vermögen, wie wäre es mit Bodenschätzen, Wüstensonne für Solarkraftwerke, stetig wachsenden Heerscharen von potentiellen Kunden für Industrieprodukte und durch Bevölkerungsdruck verursachten Migrationsströmen? Von der moralischen Verpflichtung, bei der Durchsetzung im Westen hochgehaltener Prinzipien – Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung, Demokratie – mitzuhelfen, mal ganz abgesehen.

Nordafrika wurde von uns jahrzehntelang als schäbiger Hinterhof behandelt, dabei könnte es ein blühender Vorgarten sein. Außer ein paar zaghaften Versuchen der EU, eine Mittelmeer-Partnerschaft einzurichten, tat sich wenig. Und diese Initiative kam spät, war durch die koloniale Vergangenheit der Europäer belastet und von der eitlen Selbstdarstellung des französischen Präsidenten überschattet. Von Anfang an litt das Vorhaben zudem unter der unseligen europäischen Gepflogenheit, allen Nichtbeteiligten in Gipfel-Deals Kompensation für nicht erlittenen Schaden bieten zu müssen. Und so hat Europa wieder mal eine Revolution verschlafen. Wieder einmal waren wir nicht auf der Seite derer, die Untertanen-Staaten in freiheitliche Republiken umwandeln wollen. Wieder mal haben wir unsere Prinzipien nicht hochgehalten. Und unsere Interessen haben wir auch nicht geschützt.

Wir sollten uns nicht allzu sehr wundern, wenn die neuen Vordenker des Orients nun Zivilgesellschaften aufbauen, in der unsere hehren Ideen von Selbstverwirklichung keine Rolle spielen. Wer immer erst mit dem Geschenkkorb von Aufklärung und freiheitlicher Demokratie wedelt, nachdem die Unterdrückten selbst die Drecksarbeit erledigt und die Diktatoren zum Teufel gejagt haben, darf sich nicht beschweren, dass der Westen als eine Bande von opportunistischen Krämerseelen wahrgenommen wird, die stets nur mit dem Sieger Geschäfte macht.

Es sind ja noch ein paar Despoten übrig im vorderen Orient, da können wir noch ein paar Mal üben, wie wir die Menschen beim Übergang zu einem modernen, demokratischen Staat unterstützen können.

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen / Euch
Michael Bross aus Sindlingen

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