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Dinge, die keiner sehen will!

Wer eine Reise tut, kann bekanntlich viele neue Erkenntnisse gewinnen und einiges dazulernen. Man sieht viele neue, bisher nicht vertraute Dinge. Aber es gibt auch Dinge, die keiner sehen will!

Vorgestern Abend, auf dem Flughafen einer tropischen Großstadt: Wir sitzen im Wartebereich unmittelbar vor dem Tor zum Flugzeug. Alles ist prima, wir haben unseren Sitzplatz, der Flieger scheint pünktlich sein zu wollen. Rundherum trudeln langsam die letzten Passagiere ein, erwartungsvoll in Richtung auf die noch geschlossenen, von Uniformierten bewachten Türen zur Einsteigebrücke blickend.

Neben uns hat sich ein Billigtourist breitgemacht. Dicker Rucksack, dicker Bauch. Ein schwarzes Muscle-Shirt mit dem Logo der Firma „Tiger Beer“, dazu kurze oliv-graue Hosen mit aufgebauschten Taschen und Trekking-Sandalen geben viel sonnengereiftes Fleisch dem Anblick preis. Es ist jene Garderobe der europäischen Reisenden, auf die wir nicht stolz sein müssen. Außerdem scheint sie angesichts der kommenden minus 10 Grad Celsius in Frankfurt nicht nur unangemessen offenherzig, sondern auch – was die Isolierwirkung angeht – ungeeignet zu sein. Das schwant auch unserem Reisenden. Der Mann kramt geschäftig in seinem Rucksack und fördert ein Jeans-Hose, Socken und ein kariertes Flanellhemd zu Tage. Malerisch breitet er seine Kleidungsstücke über zwei weitere Sitze in der Halle aus. Dann zieht er den Gürtel aus seiner kurzen Hose und fädelt ihn gelassen in die Schlaufen an der Jeans. Während ich mich noch wundere, wie er wohl die Jeans über die andere Hose bekommt, steht er langsam auf und zieht die kurze Hose einfach aus. Seelenruhig – in knappem Schlüpfer (schwarz mit weißen Punkten) und Muscle-Shirt – legt er die kurze Hose beiseite und zieht sich die lange an. Der Gürtel wird fest zugeschnürt, damit die Wampe ordentlich drüber liegen kann. Und dann wird das ärmellose Gewand über den Kopf gezerrt, der braungebrannte, behaarte Oberkörper allen Fluggästen präsentiert, bis gnädig das grün-karierte Hemd auch hier für Privatsphäre sorgt. Es war ein Erlebnis nicht der dritten, aber der ganz besonderen Art.

Angesichts solcher Leute fragt man sich gelegentlich schon, ob Reisefreiheit für jedermann wirklich eine zivilisatorische Errungenschaft ist oder nicht schlicht eine Zumutung! Reisende sind schließlich – ob sie es wollen oder nicht – Botschafter ihres Landes und ihrer Kultur. Oder halt ihrer Unkultur. Vielleicht sollte man manchen Zeitgenossen keinen Reisepass ausstellen? Dann wäre der Radius ihrer peinlichen Auftritte auf Europa beschränkt. Was ja mehr als ausreicht, Land und Landsleute im Ausland in Verruf zu bringen. Aber da kennt man sich ja wenigstens, und unter Nachbarn ist alles immer ein bisschen weniger schlimm.

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen / Euch
Michael Bross aus Sindlingen

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