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Wir sind alle Raubkopierer!

Vor allem in Amerika tobt ein heißer Kampf ums Internet und dessen vermeintlich freie Leistungen. Zwei Gesetze zum Schutz der Urheberrechte haben jenseits des Atlantiks einen gewaltigen Protest hervorgerufen. Wikipedia nahm seine Seiten für einen Tag vom Netz, andere große Internetanbieter machten auf Trauer. Warum? Offenbar hatten die Senatoren und Abgeordneten in Washington DC sich vor den Karren der fetten Hollywood-Industrien spannen lassen und sich anheischig gemacht, alle Raubkopierer zwar nicht gleich nach Guantanamo zu schicken, aber doch aufs schwerste zu kriminalisieren.

Die Amerikaner haben ihre Interessen auch in einem internationalen Abkommen „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“ manifestiert, um Produktpiraten weltweit bekämpfen zu können. Dieses Handelsabkommen Acta hat die deutsche Bundesregierung jetzt erst einmal nicht unterzeichnet. Es gebe noch Diskussionsbedarf, hieß es dazu. Den gibt es gewiss. Es geht um nichts weniger als die wirtschaftlichen Interessen der Publikationsindustrien – von Musik über Film bis zu Gedrucktem – auf der einen Seite und die intellektuelle Freiheit des Internets auf der anderen.

Nun kann man sich durchaus auf den Standpunkt stellen, dass Warner Bros. & Co wirklich genug Geld verdienen, und die Super-Mega-Giga-Stars der Musikbranche können schon mal auf ein $-Milliönchen verzichten, ohne gleich der Sozialhilfe anheim zu fallen. Wer aus der Zeit vor dem Internet stammt, kann sich erinnern, dass die neusten Schallplatten immer im Freundeskreis herumgereicht wurden, um sehr sorgfältig und sehr vorsichtig auf Tonband-Cassetten kopiert zu werden. Led Zeppelin, Uriah Heep oder die Stones haben es überstanden, dass wir im Freundeskreis eine Platte „geshart“ haben! Und wenn die Hitparade im Radio lief, schwebten raubvogelgleich die Finger in Lauerstellung über der Pausentaste – bereit zum jederzeitigen Zustoßen, um nur keine Zehntelsekunde eines geliebten Songs zu verpassen. Wir alle waren Raubkopierer! Das war ganz normal, denn eine Schallplatte kostete unvorstellbare 22 DM. Später gab es Importe aus UK für 12,80 DM bis 15,80 DM. Welch ein Segen! Schlaue Versandhändler hatten da – als Vorläufer von Amazon und Co. – eine Möglichkeit gefunden, ganz legal die deutsche Preisbindung für Schallplatten zu umgehen. Hatte wahrscheinlich was mit der EG zu tun. Nicht, dass uns das interessiert hätte.

Ein bisschen anders ist die Lage heute schon. Die gewerblichen Raubkopierer stellen sich ja gerne als eine Art Robin Hood-Bande der Internets dar. Aber die Herrscher über das in diesen Tagen aufgeflogene Unternehmen Megaupload haben ganz gut davon gelebt, die Musikindustrie zu beklauen und den File-Sharern nochmals viel Geld aus der Tasche zu ziehen für illegale Ware. Helden waren das nicht, noch nicht mal Geschäftemacher. Es waren nur Diebe, die Hehler-Ware als „shareware“ verhökerten.

Die allgemeine Manie, alles im Internet für lau haben zu wollen und überhaupt das ganze „Net“ als einen kostenlosen, vom heiligen Sankt Niemand finanzierten Liebesdienst zu begreifen, schadet den Größen der Hollywood-Industrie sicher weniger als den kleinen Content-Produzenten. Neben den Stars gibt es schließlich auch die kleinen Künstler, die Start-ups, die normalen Medienschaffenden. Die brauchen im Zweifelsfall die Einnahmen aus ihrer Berufstätigkeit, um die Miete zu bezahlen.

Zudem bringt uns dauerndes Copy & Paste intellektuell nicht wirklich weiter – weder in der Wissenschaft, noch in Kunst, Kultur oder Wirtschaft. Ab und zu muss mal jemand etwas wirklich Neues machen! Und dafür sollte er in jedem Fall die gebührende Anerkennung bekommen – indem man zum Beispiel seinen Namen als Urheber nennt –  und möglicherweise auch von seiner Kreativität leben können.

Darüber können wir ja alle an einem kühlen Sonntag mal in aller Ruhe nachdenken …

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen / Euch
Michael Bross aus Sindlingen

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