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Olympiade im Weggucken

Liebe Freunde und Bekannte,

die Chinesen richten unsere nächste Olympiade aus. Die Herrscher in Peking hatten sich davon eine gewaltige PR-Aktion zur Imagestärkung für das Reich der Mitte versprochen. Und nun erdreisten sich ein paar miese Separatisten auf dem Dach der Welt, dem Zentralkomitee in die Suppe zu spucken. Und der Rest der Welt übt sich in einer Olympiade im Weggucken ...

Die Großsponsoren der olympischen Sommerspiele haben schon verkündet, an ihrem Engagement festhalten zu wollen. Wer kann es ihnen verdenken? Eine Milliarde potentielle Konsumenten wollen von den Vorzügen der Produkte überzeugt werden. Ein Boykott der Spiele durch die freie Welt wäre da echt fatal. Was 1980 bei den Spielen in Moskau exerziert wurde, darf also nicht wiederholt werden. Damals strafte man einen Feind hinter dem Eisernen Vorhang, heute würde sich der Westen aus dem vielleicht vielversprechendsten Markt der nächsten Jahrzehnte hinaus katapultieren. Also Augen zu und durch. Wird schon nicht so schlimm werden in Tibet!

Die Sportfunktionäre wollen auf keinen Fall einen Boykott. Kann man ja verstehen, sie freuen sich doch so auf das Spektakel. Und die armen Sportler: Wenn die Spiele jetzt ausfallen, war all das Üben und Trainieren ja umsonst. Da muss man als Funktionär doch drauf achten, dass den armen Athleten kein Unrecht geschieht. Die Menschenrechtsverletzungen in Tibet darf man dann doch nicht überbewerten. Verhaften, Verprügeln und Foltern sind ja übrigens auch keine olympischen Disziplinen - also ist das Internationale Olympische Komitee da nicht zuständig.

Die westlichen Politiker wollen auch mal nach China reisen und es sich bei der Eröffnungsfeier im Kreise der wichtigen Damen und Herren der Welt gut gehen lassen. Man gönnt sich ja sonst nichts! Zur seit über 50 Jahren andauernden Besetzung Tibets durch die Volksrepublik China möchte man sich nicht äußern. Ist sogar folgerichtig! 1951 (als die Chinesen in Tibet einmarschierten), 1959 (als der Dalai Lama das Land verlassen musste), während der Kulturevolution (als viele Klöster geschleift wurden und die tibetische Kultur in den Niedergang getrieben wurde), da hat der Westen stets geschwiegen. Warum sollte er sich jetzt - bei verglichen mit den Untaten der Vergangenheit relativ harmlosen Brutalitäten - einmischen und mit dieser Politik brechen? 

Die Sportler - so ein Vorschlag zur Güte aus der Politik - könnten ja durch persönliche Aktionen auf die Menschrechtslage in Tibet aufmerksam machen und so ihren Protest artikulieren. Man stelle sich vor: Unsere deutschen Dressur-Reiter, auf Medaillen programmiert, nehmen die tibetische Nationalflagge als Sattelunterlage - welch ein Bild des Protestes. Oder wie wäre es mit Dalai Lama-Konterfeis auf den Trainingsanzügen?

Sportler sollen sich auch mündlich äußern dürfen, wenn sie wollen. Aber - so wurde auch gleich von treusorgenden Sportfunktionären angemahnt - man dürfe die Sportler nicht verurteilen, wenn sie nichts sagen wollten. Angesichts der manchmal überragenden sprachlichen Ausdrucksfähigkeiten von Menschen, die ihr Leben dem Hüpfen, Rennen, Werfen gewidmet haben, wäre Schweigen oft eine angemessene Artikulationsform. Man denke an die peinlichen Versuche mancher Fußballer, nach dem Spiel etwas halbwegs Intelligentes über die Sportart zu sagen, die sie professionell betreiben. Hilft man den Tibetern, wenn ein Großmeister des sinnfrei Unverständlichen (wie der unvergessene Lothar Matthäus) versucht, ein politisch korrektes Interview zu geben? Was hätte er zu sagen, und wer versteht ihn? 

Reden halten und Politik machen, ist die Aufgabe von Politikern. Wenn die, die dazu gewählt sind, die deutsche Position zum Thema Menschenrechte zu artikulieren, einen Rollentausch mit den Sportlern vorschlagen, dann ist das zumindest feige. Oder will Frau Merkel im Stabhochsprung antreten?

Über weitere mögliche Sportarten für unser Bundeskabinett möge ein jeder für sich nachsinnen.

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen/Euch
Michael Bross aus Sindlingen.
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