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Neue Verbrechen

Liebe Freunde und Bekannte,

letzte Woche habe ich mir einen neuen Computer gekauft. Das Wochenende verbrachte ich dann damit, die neue Maschine mit all den Kabeln, Rootern, Servern usw. vertraut zu machen, die man heute so braucht, wenn man kommunizieren will. Für den Sonntagskommentar blieb da nicht mehr allzu viel Kraft und Muße. Aber diese Woche klappt es wieder ...

„Sex-Daten für Amerika“ titelte der Spiegel Ende April, und es handelte sich nicht um ein Update der deutschen Ausgabe des McKinsey-Reports. Es ging auch nicht um nackte Busen (von Janet Jackson) oder ähnlich Verwerfliches. Nein, es handelte sich um einen kleinen Bericht über ein deutsch-amerikanisches Abkommen „über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität“. Verhandelt hatten Frau Zypries und Herr Schäuble mit den amerikanischen Ministern für Heimatschutz und Justiz. Das verhieß ja schon nichts Gutes. Denn die beiden deutschen Minister sind nicht unbedingt dafür berüchtigt, das Wohl der deutschen Bürger allzu sehr im Auge zu behalten, wenn sie sich bei der letzten verbliebenen Weltmacht einzuschleimen versuchen.

Geregelt wird in dem Geheimabkommen wieder mal der Datenaustausch zwischen Amerika und der BRD – was hier wirklich Bananen-Republik bedeuten könnte. Denn das mit dem „Austausch“ dürfte wahrscheinlich auch wieder auf eher koloniale Formen des Tausches hinauslaufen; man weiß ja aus der Geschichte, wie Imperien mit ihren Vasallen zu tauschen pflegten: eine Handvoll Glasperlen gegen vollständige Hingabe.

Sei's drum! Viel spannender ist die Liste der auszutauschenden Daten, denn sie offenbart, in welchen Charaktermerkmalen die Amerikaner Hinweise für kriminelles und terroristisches Verhalten suchen: Rasse oder ethnische Herkunft, politische Anschauungen, Religionszugehörigkeit oder Gewerkschaftsmitgliedschaft. Außerdem natürlich alles, was der Staat so über das Sexualleben und die Gesundheit der durchleuchteten Bürger weiß.

Potentielle Terroristen könnten also womöglich so definiert sein: Männlich und weiß – das klingt verdächtig unverdächtig, also verbirgt sich hier womöglich ein Schläfer. Angehörige einer liberalen Partei seien gewarnt: Liberal ist in Amerika ein ähnlich verwerfliches Attribut wie sozialdemokratisch, fast schon in der Nähe zum Sozialismus gesehen. Und wer dann noch in einer Gewerkschaft ist, braucht sich als notorischer Unruhestifter wirklich nicht zu wundern, wenn er in Chicago O'Hare lange warten muss bei der Einreise. Bei der Religionszugehörigkeit könnten Katholiken – als von einer fremden irdischen Macht (Papst im Vatikan) indoktriniert und ferngesteuert – wahrscheinlich schlechter abschneiden als Christivals-Besucher, die der evangelikalen Szene in Amerika besser vertraut sind. Wer dann womöglich noch besondere Essenswünsche äußert bei der Flugbuchung ...

Wir lernen daraus: Bankraub, Mord und Totschlag deuten nicht so stark auf einen potentiell gefährlichen Verbrecher oder Terroristen hin wie die Merkmale katholisch, liberal, gewerkschaftsorientiert. Das sollte allen bewusst sein, die zur Mai-Kundgebung des DGB oder in die Kirche gehen.

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen/Euch
Michael Bross aus Sindlingen

  • Erstellt am .