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Hauptsache mit allen drüber reden

Liebe Freunde und Bekannte,

wenn einer eine Reise tut ... Ich war eine Woche zum Segeln, und da Wind und Wellen nicht genug sportliche Herausforderung zu bieten vermögen, ist die Segelcrew diesmal mit Ryan-Air geflogen. Das ist toll: Man trottet im Gänsemarsch von der sprichwörtlichen Abfertigungs-"Halle" zum Fluggerät, drängelt sich wie in der S-Bahn zur Mitte, wo es noch freie Plätze hat. Aber super-pünktlich sind sie, die gelb-blauen Flieger, und damit das auch jeder mitkriegt, erklingt nach der Landung eine Fanfare aus den Lautsprechern - noch vor der Ansage, doch bitte solange angeschnallt sitzen zu bleiben, bis ... Und dann steht man mitten in der Nacht auf dem Vorplatz des internationalen Regionalflughafens an der hessischen Landesgrenze und möchte zurück ins Zentrum der Zivilisation. Man fährt mit dem Bus und lernt seine Mitmenschen richtig gut kennen - auch wenn man das gar nicht will.

0 Uhr 17 im Fern-Bus nach Frankfurt. Zwei Kleinkinder maunzen ein paar Mal kläglich vor sich hin, schließlich ist eigentlich Schlafenszeit; ansonsten sind die Gäste in ermattete Stille gehüllt. Plötzlich hektisches Getuschel.
„Der Akku ist leer."
„Der von Petras Handy auch."
„Aber wir müssen doch Mareike anrufen."
„Hat denn jemand ihre Nummer?"
„Nur die vom Handy, nicht von zu Hause."
„Ich wollte sie ja abschreiben, aber der Akku ist doch leer."
„Dann rufen wir sie auf dem Handy an."
Gespanntes Schweigen, dann das Gesprächsbulletin: „Sie geht nicht ran, da ist nur die Mailbox."
„Aber sie hatte doch versprochen, uns abzuholen."
Ein wenig später der Vorschlag: „Ich rufe bei Jonas an, der soll Mareike anrufen, dass wir kommen."
Leises Getuschel ins Mobiltelefon. In die eintretende Stille die Frage: „Hat Jonas eigentlich Mareikes Home-Nummer?"
„Nein, nur die von ihrem Handy."
Nach einigem Grübeln der erlösende Vorschlag: „Ich ruf ihn noch mal an und sag ihm das."
„Und sag ihm auch, dass er nicht bei Peter oder Petra anrufen soll, die Akkus sind doch leer."
„Christiane, sprich Du doch mit ihm."
„Jonas, wir noch mal. Ruf nicht bei Petra und Peter an, deren Handys haben keinen Strom mehr. Wir kommen so um 2 Uhr am Hauptbahnhof an, könntest Du uns nicht holen? Ja, dann trink mal nichts mehr."
„Aber wenn er Mareike nicht erreicht?"
„Dann müssen wir halt mit dem Taxi zu uns fahren, und ich fahre Peter und Petra nach Hause."
„Das ist aber teuer."
„Wir können auch laufen."
„Es ist ja noch eine Stunde hin, bis wir in Frankfurt ankommen."

1 Uhr 24 im Fernbus auf der Autobahn.

„Ja, hallo? Ah, Mareike. Ja, wir sind schon im Bus. So um Viertel vor Zwei kommen wir am Hauptbahnhof an. Du holst uns ab? Danke, prima. Ach ja: Ruf doch bitte Jonas an und sag ihm, dass er uns nicht abholen muss."
„Und was war jetzt?"
„Sie hat von einem anderen Handy angerufen.
„Es wird aber bestimmt später als Viertel vor Zwei:"
„Dann muss sie halt fünf Minuten warten."

Ich bin am Flughafen Frankfurt ausgestiegen. Deshalb weiß ich nicht, ob Peter, Petra, Christiane und der zweite Herr, der seinen Namen nicht publik machte, sich mit Mareike und wenn ja, wo am Hauptbahnhof trafen. Aber es ist schon nett, was man über Menschen erfährt, die sich überhaupt nicht mit einem unterhalten, sondern nur hinter einem im Bus sitzen.

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen /Euch
Michael Bross aus Sindlingen

 

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