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Kein Schwein gehabt

Gelegentlich muss ich mir vorhalten lassen, dass meine Sonntagskommentare unrealistisch geschmacklos seien. So was kann ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen und suche seitdem nach extremen Beispielen für wahrhaftige Geschmacksverirrungen. Da die Realität häufig Geschichten schreibt, die man sich als Autor kaum auszumalen getraut, bin ich schließlich fündig geworden. Hier nun eine Geschmacklosigkeit, die einen absolut realistischen Kern aufweist! Wenn ich Restaurant-Kritiker wäre und für ein Gourmet-Magazin schriebe, müsste das in der Rubrik „Reingewürgt" erscheinen.

Verbraucherschützer haben festgestellt, dass auf der Schinken-Pizza oft gar kein Schinken verarbeitet wird. Stattdessen bekommen wir irgendwelche Fleischteile mit viel Stärke und Gelatine vorgesetzt. Selbst wenn das alles gut durchgebacken serviert wird und mit einem freundlichen Lächeln, kann so eine Kulturschande doch nicht angehen! Zwar ist der Verdauungsapparat des Mitteleuropäers erstaunlich robust, wenn es um die Verarbeitung angegammelter Fleischreste geht. Das ist vor einiger Zeit in einem ausgiebigen Feldversuch in Bayern nachgewiesen worden. Aber als Restaurantbesucher oder Kunde der Tiefkühltruhe beim örtlichen Discounter fühlt man sich schon ein klitzeklein wenig betrogen. Das verlangt nach Gegenmaßnahmen.

Man könnte natürlich in feiger Weise der Schinkenpizza ausweichen und sich auf die Variante „Käse – Pilze – Oliven" verlegen. Vegetarier und Tierschützer würden diese Umstellung der Ernährungsgewohnheiten sicher begrüßen. Aber selbst beim Verzehr von politisch korrekten Pizze ist man vor Imitaten nicht sicher. Es droht ein Belag aus „Analog-Käse", einer zähen Masse, bei der die Milch durch Pflanzenfett ersetzt wird. Und wozu soll das nun wieder gut sein, fragt man sich genervt. Handelt es sich um eine verdeckte Operation im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums zur Reduzierung des Cholesteringehalts in Junk Food? Oder dient es der Kalorienreduzierung, damit wir nicht noch dicker werden? Nein, der schnöde Preis des Käses sei dafür verantwortlich, werden wir belehrt.

Kann eigentlich irgendwas billiger sein als Milch, die aller Orten verramscht wird? Werfen nicht die Bauern gerade wieder mit Mist um sich, um gegen den Preisverfall der weißen Brühe zu protestieren? Haben wir nicht Milchseen ohne Ende? Da müssten doch eigentlich die von diversen Bakterien und anderen nicht tarifgebunden tätigen Kleinstlebewesen erzeugten Zerfalls- und Abbauprodukte dieser Fett-Wasser-Emulsion günstig zu erstehen sein? Angeblich lässt sich dann aber kein Geld mehr verdienen mit Pizza und Co!

Vielleicht sollte als Gegenmittel gegen solches Marktversagen der Konsument beim Begleichen der Rechnung seinerseits kreative Sparsamkeit walten lassen. Wer mir eine Pizza mit „nach Brühwurstart zusammengesetztem Formfleischvorderschinken" und Analog-Käse auftischt, den werde ich dann mit Analog-Geld bezahlen. Schein-Geld statt Geld-Schein. Die entsprechenden Betrugsnoten könnte die Bad Bank ausgeben, die ja demnächst den Finanz-Spekulanten ihre „toxischen Wertpapiere" abkaufen soll. Die haben ja möglicherweise sogar einen gewissen, aber nicht genauer zu beziffernden Restwert. Das wiederum würde sie zu einem absolut adäquaten Zahlungsmittel für Mogelpizza machen, deren Belag ja auch einen geringen, nicht genauer zu definierenden Nährwert haben könnte. Fair ist fair!

Einen schönen Sonntag und guten Appetit wünscht Ihnen / Euch
Michael Bross aus Sindlingen.

 

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