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Recht und Rache

Magnus Gäfgen, der Kindermörder, erhält eine Entschädigung wegen der Androhung von Folter während seines Verhörs. So hat ein Gericht in der letzten Woche entschieden. Die meisten Leute, mit denen ich darüber gesprochen habe, waren fassungslos, entsetzt, verbittert ... Aber wir sollten nicht vergessen zu unterscheiden zwischen Recht und Rache.

Der Kindermörder machte im Vorfeld des Prozesses geltend, dass er durch die Androhung von Schmerzen durch die Polizei traumatisiert worden sei. Das glaubte ihm wohl niemand, und auch der Gutachter, der die Jauchegrube seiner Psyche untersuchen musste, war anderer Meinung: Gäfgen sei durch seine Tat und die verlorene Lebensperspektive traumatisiert, so das Urteil des Spezialisten.

Ganz persönlich wünsche ich dem Kindermörder ein langes Leben im Trauma: Mögen weder Demenz noch Alzheimer die Erinnerung an seine abscheuliche, brutale und unverzeihliche Untat auslöschen. Die Erinnerungen mögen ihn bis ans Ende seiner Tage quälen. Das sind meine schlechten Wünsche für einen bösen Menschen.

Aber dem Staat und seinen Erfüllungsgehilfen steht es unter gar keinen Umständen zu, die Bürger zu foltern, mit Schmerz zu bedrohen oder der Rache auszuliefern. Niemand, der obrigkeitlich tätig wird, darf meine Würde, meine Ehre, mein Leben bedrohen! Für die Institution „Staat" gelten – und müssen gelten! – ganz andere, nämlich härtere, deutlichere und stringente Regeln. Der Staat und seine Institutionen sind Kunstprodukte, die nach idealtypisch ersonnenen, kunstvoll ausformulierten, nüchternen Regeln funktionieren.

Meine persönlichen Rachegelüste kann und muss ich als biologisches Erbe akzeptieren. Ich muss mich bemühen, sie zu zähmen und unter Kontrolle zu halten. Aber sie sind da!

Der Staat dagegen als Konstrukt und Konstruktion hat kein natürliches biologisches Erbe, auf das er sich zurück ziehen könnte. Behörden haben keine Gefühle. Institutionen handeln nicht im Affekt. Staatlichen Organen darf „keine Sicherung durchbrennen". Eine Institution ist dann gut und richtig konstruiert, wenn sie auch mit unvollkommenen Menschen genau so arbeitet, wie sie ersonnen wurde. Folter und Rache sind da so wenig vorgesehen wie guter Wille und beste Absichten, sondern Recht nach Regeln und Vernunft.

Deshalb hat das Gericht nicht den Mörder von irgendetwas „frei"gesprochen, Gäfgen hat nicht Recht bekommen; der Staat und seine Polizei sind an ihre Grenzen erinnert worden. Und das ist auch ein Zeichen dafür, dass die Institution der „Gewaltenteilung" in Deutschland ganz ordentlich funktioniert: Ein unabhängiges Gericht hat über die Polizei, die das Gewaltmonopol im Lande haben soll, gewacht und gerichtet.

Eine schöne Woche wünscht Ihnen / Euch
Michael Bross aus Sindlingen

 

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