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Gestern war Demo - Occupy Frankfurt

In Frankfurt gingen gestern 5000 Leute auf die Straße. Vor der Europäischen Zentralbank protestierten sie gegen die Macht der Banken, gegen die Macht der Wenigen, die mit ihrem Geld alles beherrschen. Vorbild für die Aktion in Mainhattan war – wie könnte es anders sein – die Wall Street in Manhattan: Occupy Wall Street lautet seit einigen Wochen der Schlachtruf einer Kritiker-Bewegung, die gegen Obrigkeit und Finanzsystem ankämpft. In New York hat der Protest etwas spielerisches, improvisiertes, Spontanes. Und in Frankfurt waren die Initiatoren zumindest überrascht von der großen Zahl der Demonstranten und Sympathisanten, die an einem Samstagmittag in die Innenstadt kamen.

Kann es verwundern, dass die Bürger aufstehen und protestieren? Banken-Rettung, Griechenland-Pleite, Irland-Krise, Portugal-Hilfen verschlingen enorme Geldmengen, auf der anderen Seite zerren Bildungsnotstand, Inflationsängste und Untergangsphantasien an den Nerven der Mittelschicht. Die Aufsteiger der letzten Jahrzehnte haben Angst um ihre kleine Wohlstandswelt aus Sparbuch, Eigenheim und Rentenanwartschaften. In der Schicht darunter schwant es manchem, dass es mit der armseligen, aber bequemen, weil staatlich bezahlten Freiheit von Existenzängsten bald vorüber sein könnte. Und Aufstiegsperspektiven bietet das System der Bundesrepublik auch nur sehr begrenzt. Da macht sich Resignation breit – oder Wut, je nach Mentalität und Kraftreserven des Individuums.

Langsam wird vielen klar, dass wir in einem System leben, in dem der Einzelne kaum noch Freiheitsgrade hat: Wer sich vor Jahren für einen Weg als abhängig Beschäftigter entschied, muss nun bangen, dass das kapitalistische Wirtschaftssystem noch ein paar Jahre durchhält, damit seine Ersparnisse – womöglich Riester- oder sonst wie gefördert – ihm den versprochenen sorgenfreien Ruhestand und die ersehnte Selbstverwirklichung des dritten Lebensalters ermöglichen. Den prekär Beschäftigten bleibt die ebenso prekäre Hoffnung, dass der Aufschwung noch einige Zeit anhält, damit vom Wohlstandszuwachs auch wenig für sie abfällt.

Nur mit gutem Willen und viel Anstrengung kommt aus diesem Spinnennetz der wohlfährigen Abhängigkeit keiner mehr raus. Wir haben uns selbst die Freiheit genommen, auf eigenen Füßen stehen zu können. Von ein paar ganz wenigen abgesehen, die so reich sind, dass ihnen fast alles – bis auf einen Dritten Weltkrieg – gleichgültig sein kann, sind wir Bürger gefangen in einem System nicht der Arbeits- sondern der Abhängigkeitsteilung. Und die Verästelungen dieses Systems gehen – das wird jetzt allen klar – nicht nur räumlich, sondern auch in zeitlicher Dimension weit über das hinaus, was wir gewollt haben und vermeintlich verstanden zu haben glaubten: Die Welt wird zum Dorf. Und wer nicht aufpasst, muss die Zechprellerei aus dem Nachbardorf begleichen, während die Bonzen sich mit wohlgefülltem Geldsäcklein davon machen. Das ist zwar in früheren Zeiten auch so geschehen, aber damals haben es nicht alle mitbekommen. Solch wohltuende Ignoranz ist in Zeiten des Internets nicht mehr jedem gegeben.

Einen schönen, aufgeklärten Sonntag wünscht Ihnen / Euch
Michael Bross aus Sindlingen

 

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