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Halbmond über Frankfurt

Liebe Freunde und Bekannte,

Religion war in den letzten Jahren und Jahrzehnten Privatsache. Deutschland ist zunehmend zu einer säkularen Gesellschaft geworden. Manche Zeitgenossen waren gar nicht so böse darüber, dass die Kirchen nicht mehr überall hineinredeten. Keine Hirtenbriefe mehr am Wahlsonntag. Wir hatten geglaubt, dass die Trennung von Kirche und Staat erreicht sei. Und nun stellen wir fest, dass die Religionsfrage so privat gar nicht ist.

Der Mond ist aufgegangen über Frankfurt. Es ist ein Halbmond. Gelehrte Experten streiten noch darüber, wie stark zunehmend er ist. Einige Einwohner der internationalsten Großstadt Deutschlands - wie sich Frankfurt gerne selbst rühmt - finden das alles nur unerfreulich. Und jetzt wissen sie auch warum. Sie haben ein Objekt für ihre Abneigung gefunden: Seit Monaten brutzelt auf mehr oder weniger großer Flamme ein Dauerstreit über den Bau einer dritten Moschee im Frankfurter Stadtteil Hausen. Die Pro- und Contra-Argumente reichen von schwachsinnig bis staatstragend.

Da befürchten die Anwohner eine Flut von Besuchern, die mit ihren Autos durch die Wohnstraßen kurven und die (Stamm-)Parkplätze besetzen. Oh Schreck, o Graus - da müsste man ja ein paar Schritte weiter laufen! Oder morgens früh das Auto aus der Garage auf die Straße fahren und so den Platz vor dem eigenen Gartenzaun okkupieren. Mit so was haben wir ja Erfahrung. Schließlich gilt es in allen südlichen Urlaubsländern (z. B. der Türkei) als wesentliches Charaktermerkmal, dass deutsche Touristen morgens um sechs Uhr mit ihren Handtüchern die besten Sonnenliegen am Swimmingpool markieren. Sind Parkplätze wichtiger als Gebete?

Eine Zuwanderin riet daraufhin den Eingeborenen, doch wegzuziehen, wenn es ihnen in Hausen nicht mehr gefalle. Das belegt immerhin, dass die Migranten, zumindest was die geistige Verwirrung angeht, mitten in der deutschen Gesellschaft angekommen sind. Allerdings war die Dame Psychologin, und dieser Beruf scheint völkerübergreifend hin und wieder zu - sagen wir mal - seltsamen psychologischen Phänomenen zu führen. Man kann nun darüber streiten, ob diese Form von Völkerverständigung uns signifikant weiterbrächte.

Was bleibt? Ratlosigkeit und Unfrieden! Die Stadtverwaltung wird den Betschuppen wohl genehmigen, denn er entspricht allen Vorschriften. Und das ist dann auch in Ordnung. Religionsfreiheit - wie sie in der Verfassung garantiert wird - ist nicht Freiheit von Religion, sondern meint Freiheit zur Religion. Die Anwohner sind und bleiben trotzdem dagegen. Ihr Protestgegrummel wird im Lärm der Baumaschinen untergehen. Aber ausgestanden ist die Sache damit noch lange nicht. Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit wird es sich rächen, dass die Deutschen so wenig neugierig waren auf ihre neuen Mitbürger. Wir wissen nichts von ihnen, und sie wissen nichts von uns. Man kann das Toleranz nennen...

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen/Euch
Michael Bross aus Sindlingen

Copyright Michael Bross 2007

 

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