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Europa - zwischen Integration und Integrität

Wohin steuert Europa? Was machen die da eigentlich in Berlin? Manches versteht man nicht mehr, vor allem die aufgeregte Hysterie, mit der Frau Merkel von einem Krisengespräch zum nächsten hetzt. Mittlerweile sollte sie doch schon ein bisschen Routine haben, was die Dauerkrise angeht, könnte man meinen. Aber auch sie zerreibt sich an Europa – zwischen Integration und Integrität.

„Die Kanzlerin hat ihre Fraktion im Griff!“ kommentierte ein Beobachter der Berliner Polit-Szene nach der Sonder-(Krisen-)Sitzung der CDU-Fraktion im Bundestag am 23. August 2011. Die Konservativen werden im Herbst wohl mit Mehrheit für Frau Merkel stimmen. Was nicht dasselbe bedeutet wie eine Zustimmung zum Euro.

Überhaupt: Der Euro-Rettungsschirm in seinen vielen Varianten. Hier zeigt sich die ganze Härte des Abgeordneten-Daseins im 21. Jahrhundert. Der Mechanismus, über den da befunden werden soll, ist technokratisch und juristisch verzwickt, die zukünftige Entwicklung und damit die Folgen von Entscheidungen völlig unvorhersehbar. Der Gesetzgeber soll hier auch nicht etwas regeln, bevor es geschieht, sondern etwas, was sich bereits krebsartig entwickelt hat, im Nachhinein umlenken. Das hat mehr mit Ingenieurwissen über Deichbauten zu tun als mit den Fähigkeiten, die man braucht um ordentliche Gesetze zu formulieren.

Eigentlich können bei all den Fragen über Eurorettung, Schirme, Bonds, Fonds und was noch so kommen mag an Begrifflichkeiten (die mehr verbergen als erläutern) nur noch Spezialisten mitreden. Der Abgeordnete – als Volksvertreter – ist hier oftmals genauso hilflos wie das Volk, das er vertreten soll. So zumindest der Eindruck. Auch moralische Integrität hilft nicht mehr weiter: Für wie gegen die Hilfspakete lassen sich „gute“ Argumente finden, einen Bösewicht gibt es hier nicht.

Bei der Euro-Rettung gibt es also einen moralischen Konflikt. In anderen Fällen wurde im Parlament die Abstimmung über solche Gesetzesvorschläge freigegeben, der Abgeordnete entschied nur nach seinem persönlichen Gewissen, nicht nach Parteiräson. Da sich aber die Regierung in der Euro-Frage schon ungemein weit aus dem Fenster gelehnt hat, wird diese überaus komplexe Fachangelegenheit zur Kanzlerfrage hochgeputscht. Es wird bei der Entscheidung im Herbst wieder einmal nicht um die Sache – und schon gar nicht um die Suche nach der moralisch und fiskalisch besten Lösung – gehen, sondern nur um die Köpfe (der Regierung), die gerettet werden müssen.

Das ist der neue Politikstil im 21. Jahrhundert. Genauso schnelllebig wie das Internet, ohne aber gleichermaßen kurzweilig zu sein. Politik 2.0 halt.

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen / Euch
Michael Bross aus Sindlingen

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