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Verantwortung durch Untätigkeit?

„Der Verantwortung entrinnt man eben nicht dadurch, dass man nicht handelt." So schrieb es am 1. Februar 2014 der Kommentator in der FAZ über die Rede des Bundespräsidenten bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Joachim Gauck mahnte die Deutschen und die deutsche Regierung, dass es mit der Kultur der militärischen Zurückhaltung vorbei sei. Unsere grauenvolle Vergangenheit könne nicht länger als Vorwand dafür genutzt werden, sich in der Welt nicht zu engagieren. Deutschland müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Schließlich profitiere das Land überdurchschnittlich von der Globalisierung und einer offenen Weltordnung, die jedem Bürger erheblichen Wohlstand beschert habe. Gauck bemängelt auch, dass Europa im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt sei, statt in der Welt draußen Engagement zu zeigen und Verantwortung zu übernehmen.


Und gerade deshalb kommt es für uns Deutsche darauf an, dass wir uns endlich damit befassen, welche Rolle wir in der Welt einnehmen wollen. Die schönen Tage jedenfalls, da Deutschland Autos und andere Erzeugnisse genialer Ingenieurskunst in alle Länder verkaufte und politisch nicht stattfand, sind vorüber. Natürlich will keiner, dass wir wie vor 100 Jahren mit lautem Hurra-Gebrüll in einen großen vaterländischen Krieg ziehen. Aber genauso falsch ist es, immer aus Prinzip „Nein" zu rufen, wenn die Welt draußen unser tatkräftiges Bekenntnis zu den westlichen Werten, zu Humanität oder Demokratie einfordert. Und es kann auch nicht darum gehen, aus falsch verstandener Solidarität gegenüber dem großen Beschützer jenseits des Atlantiks die deutsche Sicherheit am Hindukusch verteidigen zu wollen.
Wir sind jetzt in der Diskussion da angekommen, wo Gaucks Vorvorgänger, Horst Köhler, auf einem Rückflug von Afghanistan schon einmal war: Beim Eingeständnis oder auch der schmerzhaften Erkenntnis, dass eine Gesellschaft für ihre politischen und (wie abscheulich!) ihre wirtschaftlichen Interessen möglicherweise militärisch einstehen muss. Köhler geriet mit diesen offenen Worten in ein Mienenfeld und trat anschließend von seinem Amt als Bundespräsident zurück. Gauck hat die Worte und den Ort, an denen er sie sprach, besser gewählt. Deshalb wird seine Mahnung vielleicht eine größere Wirkung zeigen.
Obwohl ich da sehr skeptisch bin. Vor vielen Jahren hat Roman Herzog einen Ruck gefordert, der durch Deutschland gehen müsse. Auf diesen Ruck warte ich heute noch.

 

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