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Berliner Volkskammer Bundestag

Im Berliner Bundestag haben mit der dritten Großen Koalition nun endgültig Verhältnisse wie weiland in der Volkskammer der DDR Einzug gehalten. Eine Opposition gibt es zwar, aber sie hat nichts zu sagen.

Man kann die Verhältnisse der GroKo natürlich auch anders beschreiben. Angela, die Große hält Hof, umgeben von einer Korona von Speichelleckern und Mindermächtigen, die in ihrem Schatten zu Ruhm und Ehre und vor allen Dingen zu Privilegien einer lebenslangen Versorgung kommen wollen. Und am Hofstaate zu Berlin gibt es natürlich auch noch die Hofnarren, in Dunkelrot und Grün gewandet, mit ihren Vorsprechern, dem Oberhofnarren Gregor Gysi, und dem „guten Gewissen" des Christian Ströbele, der wie weiland der Beichtvater bei Bedarf heranzitiert und nach der Betstunde wieder in die Ecke verwiesen wird. Diese magere Realität liefert noch nicht einmal Stoff für die Inszenierung von Schaukämpfen zwischen Regierung und Opposition. Dafür sind die Gegner der Großen Koalition einfach zu mickrig. Das Publikum will großes Theater: Und da können Titanenkämpfe stets dramatischer in Szene gesetzt werden als die Niederschlagung von Zwergenaufständen. Bleibt bei einer GroKo also nur der Familienzwist, der sich in allen künstlerischen Genres und zu allen Zeitaltern ohnehin großer Beliebtheit erfreut.

Betrachtet man mehr das Inhaltlich-Politische bleibt eigentlich völlig unverständlich, warum die Deutschen von einer Großen Koalition stets so große Dinge und die Lösung ihrer sachlichen Probleme erwarten. Was vernünftig und angebracht wäre, dem Allgemeinwohl über den Tag hinaus dienen könnte, das Land fit machen würde für eine herausfordernde Zukunft – darum wird nicht gerungen und debattiert, weder in der Regierung noch im Bundestag. Die Koalitionsarithmetik einer GroKo scheint auch nicht im Kompromiss in der Form des Gebens und Nehmens zu liegen, sondern kommt als Addition von Maximalforderungen daher. Nicht der kleinste gemeinsame Nenner, sondern das größte gemeinsame Vielfache wird angestrebt: Die Konservativen wollten die Mütterrente, die SPD brauchte zur Befriedung der vergraulten und aufgewühlten Gewerkschaften die Rente mit 63 und den Mindestlohn. Bei einer „kleinen" Koalition hätte es womöglich lange Verhandlungen und dann einen – von allen so empfundenen schmerzlichen, daher „faulen" – Kompromiss auf der Basis (zumindest denkbarer:) fachlich kompetenter Analysen gegeben. Bei Volkskammer-Verhältnissen wirft man einfach alle Forderungen in einen großen Korb, und die Verhandlungstombola kennt keine Nieten mehr.

Die letzte Große Koalition zwischen den beiden Volksparteien CDU/CSU und SPD war seinerzeit auch mit enormen Hoffnungen gestartet und brachte uns den Gesundheitsfond und 3 %-Punkte Mehrwertsteuererhöhung. Das alles im ersten Jahr der gemeinsamen Regierung; den Rest der Legislaturperiode blockierten sich die Partner weitgehend selbst. Und da, wo sie sich im Bundestag einig waren, tat der Bundesrat das seine, um den bewegten Stillstand zu sichern. Wesentliche Problemthemen blieben zwischen 2007 und 2009 unerledigt liegen. Das nur zögerlich am Leben erhaltene Bewegungsmoment für Reformen – von der Schröder-Regierung in Gang gesetzt – verendete im Treibsand schierer Größe. Die jetzige, die dritte GroKo geht nun an die Rückabwicklung genau dieser Reformen.

Noch trostloser fällt die Bilanz der ersten Großen Koalition von 1966-1969 aus: mit den Notstandsgesetzen wurden die Rechte der Bürger in Deutschland massiv eingeschränkt und die junge Demokratie in der BRD beschädigt.

Immerhin markierte jene Große Koalition das Ende der Adenauer-Zeit, jener verknöcherten und bigotten Ära des Wiederaufbaus in West-Deutschland. Die große Koalition von 1966 bis 1969 war das letzte Aufbäumen der versammelten Kräfte der Restauration. 1969 begann mit der Öffnung gen Osten ein neues Zeitalter. Die Liberalen konnten sich in ihrer Oppositionszeit von den Verflechtungen mit der CDU alter Provenienz befreien und so als Partei des Übertritts in ein neues Zeitalter (der Entspannung!) wirksam werden.

Es wäre schön, wenn auch die jetzt regierende Große Koalition als Götterdämmerung von einem neuen, demokratischeren, liberaleren Zeitalter künden würde. Vielleicht wird es 2017 wahr werden. Man darf ja – auch in der Politik – noch Hoffnung haben.

 

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