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PEGIDA – im Tal der Ahnungslosen

Der Bundesinnenminister meinte vor ein paar Tagen, man müsse die Leute von PEGIDA ernst nehmen. Das stimmt, denn da stehen einige Akrobaten an der Spitze der Bewegung, die sicherlich Beobachtung verdienen. Die ministeriale Warnung stimmt aber auch insofern, als die Bewegung PEGIDA gegen die Grundideen und Überzeugungen des politischen Establishments mobil macht. Und das muss man natürlich als Establishment sehr wohl sehr ernst nehmen. Die konservative Grundidee in Deutschland heißt immer noch: Ruhe ist Bürgerpflicht; der ordentliche Deutsche bleibt daheim und beobachtet artig am TV, wie Mutti Merkel seine Probleme alternativlos aussitzend löst. Und bei den Linken Vordenkern jeglicher Couleur muss systemrelevanter Protest mit dem richtigen, nämlich linken Bewusstsein (und zwar von links oben, nicht von der Basis – das könnte ja rechts unten sein) initiiert werden, sonst wäre das ja nicht „richtig“ revolutionär.

Auf den Straßen und Plätzen der Republik zeigt sich dagegen immer öfter, dass die Leute bei diesem Spiel nicht mehr mitspielen. PEGIDA ist überall. Meistens wissen die Demonstranten zwar nicht so recht, was sie wollen. Aber sie wissen, was sie nicht wollen: Groß-Projekte, undurchsichtiges Verwaltungshandeln, Vordenker, Veränderung, Fremde, Neues – all das hat keine Fangemeinde in Deutschland. Die Leute wissen zudem immer genau, wer schuld ist: Politiker, Medien, Parteien, Ausländer, Unternehmer – eigentlich alle, außer sie selbst!

Die Anlässe der Demonstrationen muten erratisch an, die Ziele sind oft völlig wirr; aber trefflich vermittelt wird dieses breite, dumpfe Gefühl der jeweils Betroffenen oder sich betroffen Wähnenden: Nicht mit uns, ihr da oben! Egal ob Stuttgart 21 oder Islamisierung des Abendlandes, hier zeigt sich die Unzufriedenheit mit dem herrschenden System.

Manche Demonstranten von PEGIDA fühlen sich fremd im eigenen Land, so wird kolportiert. Damit wird dann alles entschuldigt, was bei den Demonstrationen gepöbelt und geplärrt wird. Wenn aber diese Leute eines Tages darüber bestimmen sollten, was in Deutschland als normal und richtig gilt, werde ich mich fremd fühlen, als Immigrant im eigenen Land!

Schon die Namenswahl „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ lässt Übles befürchten: Patriotische Europäer – das klingt eher idiotisch. Entweder ist man Patriot (Anhänger des Vaterlandes) oder Europäer, beides zusammen geht (noch) nicht.

Und das "Abendland" erst! Dem aufgeklärten Mitteleuropäer muss es da doch grausen. Man denke an das dauernde Geschwafel vom Untergang des Abendlandes! Oder an die abendländische „Kultur“ der Kreuzzüge und Verwüstungen, an Hexenverbrennungen, Kolonialismus & Co. „Abendland“ bedeutete vor wenigen Jahrhunderten für 90 % der Menschen: Leibeigenschaft und Unfreiheit, Untertänigkeit unter den Adel, der über den Körper, die Arbeitskraft und das Leben seiner Untertanen fast beliebig verfügen konnte; perfekte Gedankenkontrolle durch den Klerus, der die Seelen beherrschte, jegliche freie Entfaltung verhinderte und die Menschen dazu brachte, von dem wenigen, was der Adel ihnen ließ, noch reichlich abzugeben für das Wohl der Kirche. Der einzelne Mensch war nur ein Instrument in den Händen der Mächtigen. Und das wollen wir wiederhaben? Wenn hier wieder das Abendland eingeführt werden soll, dann aber gute Nacht!

Ernst nehmen muss man PEGIDA also schon. Aber vielleicht nicht in der Form, wie sich die Initiatoren das wünschen. Wir dürfen diesen Leuten nicht nachgeben, wir sollten ihnen nicht kleine Brocken hinwerfen in der Hoffnung, dass sie damit besänftigt werden können. Schwachsinn ist Schwachsinn, und er muss auch als solcher bezeichnet werden.

Die Auseinandersetzung mit denen, die ein ängstliches, rückwärtsgewandtes, erstarrtes Deutschland ohne Zukunft wollen, lässt sich nicht dadurch vermeiden, dass man ständig klein beigibt oder so tut, als gäbe es keine Probleme.

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