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Moderne Klassik

Buchbesprechung
Edward Bernays: Propaganda. Die Kunst der Public Relations.
Dt. Erstausgabe 2007; Verlag orange press

von Michael Bross

Die Masse Mensch kommt nicht gut weg bei Edward Bernays - und auch das politische Führungspersonal in modernen Demokratien erhält keine Bestnoten. Zwar habe das Volk im Verlauf der industriellen Revolution nicht nur wirtschaftliche Macht, sondern in deren Folge auch politische Macht erlangt. „Zum eigenständigen Denken kommt es dabei eher selten." (S.27) Stattdessen sei die „Meinung der Massen" formbar und die herrschende Minderheit habe in der Propaganda ein „mächtiges Instrument entdeckt, mit dem sie die Mehrheit beeinflussen kann." (S.27)

Beim Altmeister der Public Relations stellt sich die Nutzung solcher Beeinflussungsinstrumente als eine „logische Folge der Struktur unserer Demokratie" (S.19) dar, solche Steuerungsprozesse hält Bernays für unverzichtbar. Propaganda und professionelle Interessenvertretung seien notwendig, um das „Wohlwollen der Öffentlichkeit für eine Idee oder ein Produkt" (S.26) zu gewinnen. Dabei ist es aus seiner Sicht gleichgültig, ob die Öffentlichkeit von den Vorzügen des Frühstückspecks, einer besseren Bildung, der Frauenemanzipation oder den Wohltaten des Regierungshandelns überzeugt werden soll: „Gute Regierungsarbeit kann der Öffentlichkeit genauso verkauft werden wie jedes andere Produkt auch." (S.92) Die Alternative zu Public Relations klingt bei Bernays eher zynisch: „Vielleicht wäre es besser, ... auf Komitees weiser Persönlichkeiten (zu setzen), die unsere Regierung aussuchen, unser Verhalten im privaten wie im öffentlichen Leben vorschreiben und für uns entscheiden würden, welche Kleidung und welche Ernährung für uns am besten ist." (S.21)

Die Bürger erscheinen bei Bernays als mächtige, aber leicht manipulierbare Menge und die Politiker als ausschließlich darum bemüht, dem Volkswillen nachzuspüren und dem Souverän nach dem Mund zu reden. Die Zahl der Manipulierbaren sei groß, und auch wenn sie mitunter störrisch auf Beeinflussungsversuche reagierten, die hergebrachten Vorstellungen und Vorurteilen zuwiderliefen, so existiere Propaganda doch überall und ändere systematisch das Bild, das sich die Öffentlichkeit von der Welt mache. Gerade im Falle eines Krieges werde der „grandiose Erfolg der Propaganda" überaus deutlich. Hier „machten sich die Manipulatoren der öffentlichen Meinung ... die Klischeevorstellungen und Verhaltensmuster der Öffentlichkeit zunutze. So provozierten sie Massenreaktionen gegen die angeblichen Gräueltaten, den Terror und die Tyrannei des Feindes." (S.33)

Umgekehrt sei jede Regierung von der öffentlichen Zustimmung abhängig, ungeachtet davon, welches Regierungsprojekt sie zu verwirklichen anstrebe. Am Volksempfinden führt nach Edward Bernays kein Weg vorbei, allerdings verstehe es „der seriöse und talentierte Politiker" den „Volkswillen zu formen und zu kanalisieren: (denn)... sorgfältig auf die Bedürfnisse der Massen zugeschnittene Propaganda ist essenzieller Bestandteil der Politik." (S.83f) Politische Kampagnen müssen nach Bernays an die Gefühle der Menschen appellieren, inhaltlich zum Gesamtkonzept passen, zielgruppengerecht aufbereitet und medientauglich sein. „Das Küssen von Babys ergibt nur Sinn, wenn es mit einer wichtigen Leitlinie im Wahlprogramm im Einklang steht." (S.89) Bernays wirft den Politikern vor, eher dem Volk zu folgen, statt zu führen. Er geißelt die häufig genutzte politische Methode des „Versuchsballons", mit dem getestet werden soll, wie eine Idee bei den Bürgern ankommt. Echte Führungspersönlichkeiten hätten so etwas nicht nötig, sondern würden die Menschen „mithilfe geschickter Propaganda" überzeugen, statt hinter der öffentlichen Meinung herzulaufen. Den Grund dafür, dass Politiker sich weithin dagegen wehrten, die Methoden der PR aus der Wirtschaft zu übernehmen, sieht Bernays in dem besonderen Verhältnis zu den Medien. „Indem er Informationen herausgibt oder zurückhält, ist der Politiker effektiv in der Lage, die politischen Nachrichten zu zensieren." (S.92)

Natürlich wurde das Buch „Propaganda - Die Kunst der Public Relations" in erster Linie geschrieben, um die Macht und den Einfluss der Öffentlichkeitsarbeit und ihrer Macher zu demonstrieren und zu propagieren. Die meisten Beispiele, wie das „Schicksal von Millionen ...von unsichtbarer Hand gelenkt" werden könnte, stammen aus dem Bereich der Produkt-PR. Bernays hat sehr deutlich herausgearbeitet, dass die moderne Massenproduktion als Gegenpol den Massenkonsum benötigt, der seinerseits stimuliert werden muss - durch Werbung oder besser noch Public Relations. Um neuen Moden und angestrebten Trends ein Gesicht zu leihen oder eine Stimme zu verschaffen, setzt Bernays häufig auf Prominente oder Meinungsführer, die der Sache seiner Klienten quasi durch die Hintertüre zum Erfolg verhelfen sollen. Und alle Ereignisse - neudeutsch Events - erlangen ihren wahren Wert für die Öffentlichkeitsarbeit ausschließlich durch das Medienecho, das sie auslösen.

Das Buch ist nicht zuletzt als Werbung und Verkaufsförderung für einen Berufsstand entstanden, der der Wirtschaft beim Absatz neuer Produkte helfen will, indem er neue Bedürfnisse zu erzeugen oder vorhandenen Bedarf umzulenken versucht. In Bernays Beispielsammlung kann man nachlesen, wie sich der Verkauf von Haushaltsseife ankurbeln lässt, indem man Kinder dazu animiert, an einem landesweiten Wettbewerb im Seifenschnitzen teilzunehmen. Bernays ist aber an einigen Stellen ehrlich genug zuzugeben, dass nicht allen Produkten oder Ideen durch propagandistische Ansätze ein Markt geschaffen werden kann: Nicht jede Mode lasse sich gegen den erklärten Volkswillen durchpeitschen.

Lesenswert ist auch das Nachwort des New Yorker Professors für Medienökologie, Mark Crispin Miller, dem es hervorragend gelingt, das Buch von Edward Bernays in seinen mediengeschichtlichen Hintergrund einzuordnen. Dort kann man auch erfahren, warum der Begriff Propaganda heute so verpönt ist.

Die Originalausgabe von „Propaganda. Die Kunst der Public Relations." erschien 1928 in den USA.

 

Eine gekürzte Fassung dieser Buchbesprechung erschien in novo argumente für den Fortschritt Nr. 93, März-April 2008

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